Veröffentlicht: 1979
Platte: Drums and Wires
Kulturraum: UK
Genre: Postpunk
Länge: 4 15
Lebenslügen kollabieren fauchend in diesen Tagen wie ausgetrocknete Boviste, auf die achtlos der Fuß des Wanderers tritt. Sie tun es leise, weil Scheitern keine Zeugenschaft duldet. Gibt es sie dennoch, treten wir mit diesem Lied ein in die erbitterten Rückzugsgefechte abtretender Generationen. „We´re only making plans for Nigel“ von XTC dekodiert die Lebenslügen der sozialdemokratisierten Aufstiegsgenerationen der Nachkriegszeit, deren klimaklebende „schreckliche Kinder der Neuzeit“ (Peter Sloterdijk) den historischen Auftrag der Epoche vollenden: als ferngesteuerte letzt-individualisierte Selbstverwirklichungs- Androiden im maximal sich beschleunigenden Spiralsog des Schwarzloch- Endzeit-Kapitalismus, der in irrem Rausch bislang hermetisierte Ideologien amalgamiert und neu verlötet.
„And if young Nigel says he´s happy | he must be happy | he must be happy | he must be happy in his world”. Es ist die Zentralbotschaft der totalitären Identitären – aus welchem Lager auch immer, aus dem angeblich unverdächtigen Lager aber immer öfter: Andere (und niemand sonst) wissen, was gut für Dich ist. Auch wenn es nicht gut ist. Auch wenn sie tatsächlich nichts wissen.
„We´re only making plans for Nigel. | We only want, what´s best for him”. 1979 veröffentlicht hat das Lied seine größte popkulturelle Relevanz im Hier und Jetzt gewonnen – zum Glück. Klaustrophobie, Zwang und Kontrolle sind Kernthemen schwarz-düsterer Post-Punk-Mythologie, die hier allerdings in flagranten Widerspruch zur schreienden Farbästhetik des Plattencovers stehen. Diese nicht nur dekorative Spannung macht den Song aus – bis heute, diese Spannung ist die Transzendenz, die selbst einen Robby Williams 1999 zum covernden Botschafter new-waviger Experimentalität machte. XTC stellen uns vor die Aufgabe, die eigene Lebenslüge zu sezieren. Sich nicht wegzuducken. Es macht auch keinen Sinn: “Zwei Prüf- und Mahlsteine wird keiner der Lebenden entrinnen: dem Zweifel und dem Schmerz. Sie sind die beiden großen Mittel der nihilistischen Reduktion. Man muss sie passiert haben. Darin liegt die Aufgabe, die Reifeprüfung für ein neues Zeitalter. Sie wird keinem erspart bleiben. Daher ist man in manchen Ländern der Erde unvergleichlich weiter vorgeschritten als in anderen und vielleicht gerade in denen, die man für rückständig hält. Das gehört in das Kapitel der optischen Täuschungen“ (Ernst Jünger). Einer der wichtigsten Songs überhaupt.
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