Veröffentlicht: 2014
Platte: The world we left behind
Kulturraum: USA
Genre: Black Metal
Länge: 6:51
"Dürfte man denn eine metaphysisch relevante Lektion dieses monströsen Jahrhunderts formulieren, sie hätte zu lauten, das Böse müsse mehr sein als die Abwesenheit des Guten. Wer unsere Epoche in ihren dunkelsten Aspekten erfuhr, kann sich dem Eindruck nicht entziehen, das Böse sei eine autonome Instanz mit einem langen Atem und unerschöpften Reserven; im Weltgrund selbst klafft, im mythischen Bild gesprochen, ein katastrophischer Riss auf, aus dem die Übel mit mutwilliger Gewalt hervorstürzen", schreibt Peter Sloterdijk in seinem Buch "Nach Gott“. Düsterer kann eine Bilanz nicht ausfallen. Das Buch erschien im Jahr 2017. Drei Jahre zuvor, 2014, legt NACHTMYSTIUM „The world we left behind“ vor: Eine Bündelung der dystopischen Versuchungen einer Zeit, in der genau jene noch fern waren oder zumindest vielen noch fern schienen. Heute erweisen sich die Songs dieses Longplayers als selbsterfüllende Prophezeiungen, die vom medusengekränzten Cover der NACHTMYSTIUM-Vorgänger-CD („Addicts“) Ausgeburten in die Welt hinausgeschüttelt werden. Nur dass die NACHTMYSTIUM-Medusen keine Köpfe tragen, sondern Mohnkapseln. Was alles sagt, über diesen Höllentrip aus Verzweiflung, Dunkelheit und Drogen. „In the absence of existence“ beschreit dann auch die finale Ausweglosigkeit:
"No grace no love | No anything no eternal muse | I'm here in fear | No light no joy | Every day the same | This life is no life |Faced with fire diseased I cry | Never a moment to be away | Trapped in this absence of existence | Hidden away alone | I pray for a quick death every day | Never a moment to get away | Locked in this absence of existence | Out of the way day after day | Withering away to nothing | Extinct burned out | Nothing to talk about | Wasting away losing time | Dying inside every day am I | Why am I still here? | Never a moment to be away | Trapped in this absence of existence |Hidden away alone I pray for a quick death every day | Never a moment to get away | Locked in this absence of existence | Out of the way day after day | Withering away to nothing."
„Man kann gewiss sein, dass das 21. Jahrhundert, das weit fortgeschrittener sein wird, als das unsere, in Hitler und Stalin harmlose Sängerknaben sehen wird.“ — Ohne Kenntnis des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts erfasst Émile Michel Cioran in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts präzise, was die Welt mehr prägen wird, als alles andere. Es sind historische Dynamiken, die um so viel wirkungsmächtiger sind als jede Individuation, selbst wenn sie hunderte von Millionen von Followern hat. Es ist einer jener „Syllogismen der Bitterkeit“, die die Gelatine zwischen den Generationen durchätzt und auf den Boden eines Bewusstseins tropft, das sich doch eigentlich nur in Sicherheit bringen will, vor sich selbst, allen anderen, der bösen Welt da draußen.
In dieser Sicht erweist sich der Zwang zur immer früher abzuschließenden Individuation als Massenfluchtbewegung der Mediokrität. Nichts betäubt den Schmerz über die eigene Gewöhnlichkeit mehr und besser als der Beifall des Publikums, wer auch immer das sein mag, man weiß es ja nicht, will es gar nicht wissen. Nur permanente und sich fortwährend steigernde Akklamation für nichts schafft Erleichterung und Absolution im meritokratischen Druckkessel der Boomer-Generationen. „Die Hölle, das sind die anderen“ schreibt Jean Paul Sartre als Hof-Philosoph dieser Zeit. Nein, „die Hölle, das sind wir selbst“ hält zur gleichen Zeit der britische Lyriker T.S. Eliot dagegen. Im Ergebnis kommt es auf dasselbe raus. NACHTMYSTIUM sind eine US-amerikanische Extreme-Metal-Band, die unüberhörbar Wurzeln im Black Metall haben. Man hat ihnen vieles angedichtet: Von der Teufelsbessenheit bis zur versteckten oder offenen Faschismus-Anbetung. Transzendenz – in welche Richtung auch immer, Himmel oder Hölle, Gott oder Satan - ist jedenfalls nicht weit, wenn es wirklich zu Sache geht. Fast sieben Minuten Abgesang auf alles. Auf Youtube sind die Kommentare deaktiviert. Was sollte man da auch noch kommentieren?
© Urheberrecht. Alle Rechte an Bilder und Texten vorbehalten.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.