PUBLIC SERVICE BROADCASTING: 
INFORM - EDUCATE- ENTERTAIN 

Veröffentlicht: 2013

Platte: Inform-Educate-Entertain

Kulturraum: UK

Genre: Alternative

Länge: 4:12

 

„Das Rennen ist nie zu Ende“, sagt der sterbende römische Tribun Massala seinem ehemaligen Freund und jetzigen Todfeind Yehuda Ben Hur (im gleichnamigen Monumentalfilm), nachdem er im finalen Wagenrennen, im totalen Showdown der Rivalen sich tödliche Verletzungen zugezogen hat. Das Rennen ist nie zu Ende, doch was ist, wenn es doch einmal zu Ende ist?  „Das Todestor“, schreibt Ernst Jünger, "als das wichtigste der unsichtbaren Tore, für uns alle, ohne Unterscheidung, Tag und Nacht (ist immer) geöffnet. (…)“ Der Tod ist „die wundersamste Reise, die der Mensch vermöchte, ein wahres Zauberstück, die Tarnkappe aller Tarnkappen… die letzte und unangreifbare Burg aller Freien und Tapferen.“ Vor diesem Tor stehen nun die Nachkriegsgenerationen Europas. Sie machen gerade ernüchternde Erfahrungen. Unter anderem jene, das nichts bleibt, wie es war. 

Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty analysiert die immense Wohlstandserzeugung und dessen Umverteilung durch hohe Steuersätze vor dem Hintergrund, dass dies einmal war und nicht mehr ist. Globalisierung und Neoliberalismus haben die Schätze der Akkumulation vaporisiert, Ungerechtigkeit und Individualisierung werden heute als die beiden Seiten der falschen Münze gehandelt, Poker-, Casino-, Clan- und Krypto-Kapitalismus geben der alten Welt den Rest. Das Rennen ist doch zu Ende. Und was bleibt ist ein seltsam anrührender Sentimentalismus, den Public Service Broadcasting programmatisch als quasi-okulte Messe des kollektiven Gedächtnis inszenieren: „Who knows what miracles are yet to come? | It′s tiring always stretching up for something that is just out of reach, but I'll get it”. Was für ein Optimismus! Es ist die Zeit des ewigen Aufbruchs, die Zeit des festen Glaubens an den Fortschritt, es ist die Zeit „unter dem Astronautenmond“ (John Updike). 

„INFORM – EDUCATE – ENTERTAIN“: Der hier besprochene Track ist Titel des gleichnamigen ersten Albums der britischen Multi-Instrumentalisten und Magier der Collage. Die Worte beschreiben das Glaubensbekenntnis eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Jahrzehnten vor seiner Degeneration. Das Schöne, Wahre und Gute als Bollwerk gegen alles Schlechte, Niedrige, Abgefeimte der wahren Welt da draußen. PSB bauen in diesem Song eine sakrale Kathedrale der Rechtschaffenheit. Sie bündeln die schrecklichen Erfahrungen der Kriegs- und Vorkriegs-Generationen in einem luziden, reinen, gläubigen Gottesdienst der Über-die-Welt-Erhabenheit. Vielleicht ist es auch ein Götzendienst, aber das macht hier keinen Unterschied. Das United Kingdom als Zelluloid-Montage dessen, an was sich Menschen erinnern können – und wollen: industrielle Umbrüche, der Krieg, die Bombenangriffe, das Mountaineering als Kriegs-Surrogat, die Raumfahrt, die Zeit der Atlantik-Liner. Es ist eine Welt in Schwarz-Weiß. Und die Künstler wissen: Diese Welt lebt nicht mehr lange. Nur zwei Generationen und das kollektive Gedächtnis ist gelöscht wie eine Festplatte, oder wird überschrieben von den nächsten Generationen, die aus allen Himmelsrichtungen neue Gedächtnisse und Erinnerungen ins Land wehen lassen. Public Service Broadcasting sind ein Abschiedsprojekt. Abschied von der monokausalen, monodirektionalen, monokulturalen Welt. Der Habitus proklamiert das Gegenteil, doch es besteht wenig Zweifel: Das ist museale Kunst. Museale Kunst des Scheidens. Good bye. R.I.P. „Der Tod ist das Aroma der Existenz. Nur er leiht den Augenblicken Geschmack, nur er bekämpft ihre Fadheit.“ (Emile Michel Cioran)

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